Seminarleitung: Jürgen Homann
Termine: 14.11., 21.11., 28.11. und 05.12.2023, jeweils von 09.00-14.00 Uhr
Die Veranstaltung findet in Präsenz (EG1) und digital als Videokonferenz via Zoom statt. Sie ist Teil des Vollzeit-MA-Studiengangs der Ev. Hochschule und darüber hinaus geöffnet für Studiengänge externer Universitäten und Hochschulen sowie für sonstige am Thema interessierte Personen. Alle Sitzungen werden von Schriftdolmetscher*innen assistiert.
Disability Studies bewegen sich in einem traditionellen Diskurs, der seit jeher von etablierten wissenschaftlichen Disziplinen beherrscht wird, die Behinderung nicht als soziale oder kulturelle, sondern vor allem als biologische resp. essentialistische Kategorie im Sinne des Medizinischen Modells von Behinderung interpretieren, Behinderung also als individuelle Schädigung oder/und Beeinträchtigung eines einzelnen Menschen und somit als dessen Problem oder auch Schicksal verstehen. Konträr hierzu stehen Disability Studies dafür, Behinderung als diskursive und sozial (re-)produzierte Praxis der Diskriminierung, Ungleichbehandlung und Ausgrenzung zu denken und von Behinderung betroffene Menschen aus ihrer Rolle als Objekte der Forschung, Stellvertretung und Fürsorge zu befreien, um sie zu Subjekten ihrer eigenen Geschichte zu emanzipieren. Sie denken ihren Forschungsgegenstand aber nicht bloß neu, indem sie Behinderung als soziale, antiessentialistische und intersektionale Kategorie interpretieren, um die Normalität/Normativität des hegemonialen Behinderungsdiskurses und seine Verwobenheit mit anderen Subjektivierungsweisen und Machtverhältnissen zu analysieren und zu durchbrechen. Vielmehr erheben sie dabei die Betroffenenperspektive zum zentralen Analyseinstrument und Dreh- und Angelpunkt aller Forschungsaktivitäten. Sie radikalisieren auf diese Weise den Gedanken der Positioniertheit und Situiertheit von Wissen(sproduzent*innen) und richten den Fokus auf die Verbindung von Wissen und Macht.
Im Seminar wird es zunächst darum gehen, sich der wissenschaftskritischen Grundlagen und wesentlichen Theoriemodellen, die für Disability Studies bedeutsam sind, auch aus einer historischen Perspektive heraus, zu vergewissern. In einem 2. Schritt werden wir uns aus einer menschenrechtlichen Perspektive mit dem gegenwärtigen Inklusionsdiskurs sowie aktuellen Entwicklungen auseinandersetzen. Schließlich wird es darum gehen, mit den Disziplinen der „Sozialprofis“, wie Klaus Dörner sie genannt hat, danach zu befragen, welches kritisch-emanzipatorische Potential ihnen inhärent ist und welchen Beitrag sie zu einem kritischen Bildungsbegriff und Wissenschaftsverständnis zu leisten imstande sind.